Zuletzt aktualisiert am 31. Juli 2025
Das Wichtigste in Kürze:
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Ansteckende, aber nicht direkt von Tier zu Tier übertragbare Viruserkrankung (Bluetongue-Virus, BTV)
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Hauptüberträger: Stechmücken der Gattung Culicoides (Gnitzen)
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Rinder oft mit milderen Symptomen als Schafe
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Mögliche Folgen: Fruchtbarkeitsprobleme, Milchleistungsrückgänge, vereinzelt Todesfälle
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Zwischen Oktober 2023 und Oktober 2024: 13.206 betroffene Betriebe, viele Rinderhaltungen
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Bis Juli 2025: über 15.000 Ausbrüche in Deutschland.
Die Blauzungenkrankheit beim Rind (BTV-Infektion) gehört zu den gefährlichsten, durch Insekten übertragenen Tierkrankheiten in Europa. Sie ist nicht zoonotisch, stellt also für den Menschen keine Gefahr dar, kann aber erhebliche wirtschaftliche Schäden verursachen: von Milch- und Fleischleistungsverlusten über Fruchtbarkeitsprobleme bis hin zu Handelsrestriktionen.
In Deutschland trat die Blauzungenkrankheit in den letzten Jahren besonders häufig bei Schafen und Rindern auf. Während Schafe oft schwerer erkranken, zeigen Rinder häufig einen milderen, aber verlängerten Krankheitsverlauf. Im Sommer 2024 meldete allein Nordrhein-Westfalen 227 betroffene Rinderbestände, verglichen mit 267 Schafbeständen (Welt.de).
Besonders gefährlich: Die Krankheit breitet sich explosionsartig aus, wenn die übertragenden Gnitzen in den warmen Monaten aktiv sind. Durch den Klimawandel steigt die Gefahr, dass sich die Vektoren länger im Jahr halten und weiter nach Norden ausbreiten.
Interner Hinweis: Mehr zu den Symptomen bei Schafen findest du hier: Blauzungenkrankheit bei Schafen – Symptome und eine allgemeine Übersicht über die Krankheit hier: Blauzungenkrankheit Symptome.
Was ist die Blauzungenkrankheit beim Rind?
Die Blauzungenkrankheit beim Rind ist eine Virusinfektion, ausgelöst durch das Bluetongue-Virus (BTV), ein Orbivirus aus der Familie Reoviridae. Es existieren mehrere Serotypen, in Europa war in den letzten Jahren vor allem BTV‑3 von Bedeutung. Hauptwirte sind Wiederkäuer wie Rinder, Schafe, Ziegen und Wildwiederkäuer. Beim Rind verläuft die Krankheit häufig milder als beim Schaf, bleibt jedoch wirtschaftlich relevant, da sie zu Leistungseinbußen und Fruchtbarkeitsproblemen führen kann. Historisch traten Ausbrüche in Europa seit den 1990er‑Jahren auf, in Deutschland verstärkt seit 2006. Ursprünglich war die Krankheit auf tropische und subtropische Regionen beschränkt, heute ist sie auch in vielen Teilen Europas verbreitet. Im Vergleich zu Schafen oder Ziegen zeigen Rinder häufiger subklinische oder mildere Symptome, tragen jedoch maßgeblich zur Verbreitung des Virus bei.
Übertragung & Risikofaktoren der Blauzungenkrankheit bei Rindern
Die Blauzungenkrankheit wird beim Rind nicht durch direkten Kontakt von Tier zu Tier übertragen, sondern fast ausschließlich durch den Stich bestimmter Gnitzenarten (Culicoides). Diese winzigen Stechmücken nehmen das Virus beim Blutsaugen von infizierten Tieren auf und geben es bei ihrem nächsten Stich an andere Wiederkäuer weiter. Die Aktivität der Gnitzen hängt stark von Temperatur und Wetterbedingungen ab. Sie sind vor allem in den warmen Monaten zwischen Frühling und Herbst aktiv.
Neben der saisonalen Aktivität spielen auch Haltungsformen und Umweltbedingungen eine Rolle. Rinder, die auf feuchten Weiden oder in der Nähe von Gewässern gehalten werden, sind stärker gefährdet, da Gnitzen hier ideale Brutbedingungen vorfinden. Auch Stallhaltung schützt nicht vollständig, insbesondere wenn die Gebäude nicht gegen Insekten gesichert sind.
Ein weiterer Risikofaktor ist der internationale Handel mit Zucht- und Nutzrindern. Tiertransporte können das Virus über große Distanzen in bisher unbetroffene Regionen bringen. Durch den Klimawandel wird zudem erwartet, dass sich das Verbreitungsgebiet der Gnitzen in Europa weiter nach Norden ausdehnt und die Übertragungssaison länger andauert.
Blauzungenkrankheit Rind – Symptome erkennen
Die Symptome der Blauzungenkrankheit beim Rind können sehr unterschiedlich ausfallen und hängen unter anderem von Alter, Gesundheitszustand und Immunstatus des Tieres ab. Während manche Rinder lediglich leichte, kaum erkennbare Anzeichen zeigen, entwickeln andere deutliche Krankheitsbilder. Die Inkubationszeit beträgt in der Regel fünf bis zehn Tage.
Zu den häufigsten allgemeinen Symptomen zählen Fieber, Appetitlosigkeit, vermehrtes Speicheln und Lahmheit. Besonders auffällig ist oft ein geschwollenes Maul- und Zungengewebe, das in schweren Fällen bläulich verfärbt sein kann. Daher der Name „Blauzungenkrankheit“. Auch entzündete Maulschleimhäute, Nasenausfluss und vermehrtes Liegen sind typische Anzeichen.
Bei Kühen und Jungrindern treten zusätzlich spezifische Symptome auf, die direkt wirtschaftliche Folgen haben können. Dazu gehören ein plötzlicher Rückgang der Milchleistung, Fruchtbarkeitsstörungen und in Einzelfällen Fehlgeburten. In manchen Fällen werden auch chronische Schäden wie Gelenkprobleme beobachtet.
Optisch lassen sich an erkrankten Tieren typische Läsionen erkennen. Neben der geschwollenen Zunge können Schleimhautnekrosen im Maulbereich, geschwollene Lippen sowie Hautblutungen auftreten. Bilder solcher Veränderungen helfen Landwirten und Tierärzten, die Krankheit schneller zu identifizieren.
Symptome der Blauzungenkrankheit beim Rind
- Fieber
- Appetitlosigkeit
- Vermehrtes Speicheln
- Lahmheit
- Geschwollenes Maul- und Zungengewebe (evtl. bläulich verfärbt)
- Entzündete Maulschleimhäute
- Nasenausfluss
- Vermehrtes Liegen
- Milchleistungsabfall
- Fruchtbarkeitsstörungen
- Fehlgeburten
- Gelenkprobleme
- Schleimhautnekrosen im Maulbereich
- Geschwollene Lippen
- Hautblutungen
Krankheitsverlauf & Prognose bei Rindern
Der Verlauf der Blauzungenkrankheit beim Rind hängt stark vom Immunstatus, der Virusvariante (Serotyp) und den Haltungsbedingungen ab. Während viele Rinder eine eher milde oder sogar symptomlose Infektion durchlaufen, können andere schwere Krankheitsbilder entwickeln.
Akuter Verlauf: Hier treten die Symptome plötzlich und deutlich auf. Fieber, geschwollenes Maulgewebe, Lahmheit und starker Milchleistungsabfall können sich innerhalb weniger Tage entwickeln. Bei Jungtieren und geschwächten Kühen steigt das Risiko für schwere Komplikationen bis hin zum Tod.
Subklinischer Verlauf: Viele Rinder zeigen keine offensichtlichen Symptome, sind aber dennoch infiziert und können das Virus über Gnitzen an andere Wiederkäuer weitergeben. Diese stille Verbreitung macht die Bekämpfung der Krankheit besonders schwierig.
Faktoren für schwere oder tödliche Verläufe:
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Infektion mit besonders aggressiven Serotypen wie BTV‑3
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Schlechter Allgemeinzustand oder bestehende Vorerkrankungen
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Zusätzlicher Stress, etwa durch Transport oder Hitzewellen
Die Prognose ist bei gesunden, erwachsenen Rindern oft günstig, solange keine Komplikationen auftreten. Wirtschaftlich problematisch sind jedoch auch milde oder symptomlose Verläufe, da sie unbemerkt zu Leistungseinbußen und Fruchtbarkeitsproblemen führen können.
Diagnose & Meldung
Die Diagnose der Blauzungenkrankheit beim Rind erfolgt in der Regel über spezialisierte Laboruntersuchungen. Da die Symptome bei Rindern oft unspezifisch und mild ausfallen, ist eine klinische Diagnose allein selten zuverlässig. Stattdessen werden Blutproben entnommen und mithilfe von PCR-Tests oder ELISA-Tests auf das Vorhandensein von BTV untersucht. Die PCR ermöglicht den direkten Nachweis des Virusgenoms, während der ELISA-Test Antikörper im Blut nachweist und somit auch vergangene Infektionen erfassen kann.
Für eine sichere Probenahme ist es wichtig, geeignete Tiere auszuwählen, idealerweise solche mit frischen Symptomen oder aus Beständen, in denen kürzlich Erkrankungen aufgetreten sind. Die Proben müssen gekühlt und schnellstmöglich an ein akkreditiertes Labor übermittelt werden.
In Deutschland besteht eine gesetzliche Meldepflicht für die Blauzungenkrankheit. Jeder Verdacht muss umgehend dem zuständigen Veterinäramt gemeldet werden. Bei bestätigtem Ausbruch greifen Sperrmaßnahmen, die den Transport von Wiederkäuern einschränken. Diese Regelungen gelten sowohl für Rinder als auch für Schafe, Ziegen und andere empfängliche Arten, unterscheiden sich aber teilweise in der Dauer und den Auflagen für die einzelnen Tierarten.
Blauzungenkrankheit Rinder: Behandlungsmöglichkeiten
Eine spezifische Therapie gegen das Bluetongue-Virus existiert bislang nicht. Die Behandlung der Blauzungenkrankheit beim Rind beschränkt sich daher auf symptomatische und unterstützende Maßnahmen, um die Tiere zu stabilisieren und Sekundärinfektionen zu vermeiden.
Dazu gehören das Senken von Fieber mit geeigneten Tierarzneimitteln wie z. B. nichtsteroidalen Antiphlogistika (NSAIDs, etwa Flunixin-Meglumin oder Meloxicam, erhältlich unter Handelsnamen wie z. B. Finadyne®, Metacam®), die Sicherstellung einer ausreichenden Flüssigkeits- und Nährstoffversorgung, bei Bedarf auch über Elektrolytlösungen wie Ringer-Lactat oder Isotone Elektrolytpräparate, sowie die Behandlung von Entzündungen im Maulbereich mit milden, desinfizierenden Spüllösungen wie Chlorhexidin-Lösung. Schmerz- und Entzündungshemmer wie Metamizol (z. B. Novalgin®) oder Meloxicam können das Wohlbefinden der erkrankten Tiere deutlich verbessern. Bei stark geschwächten Tieren ist zudem eine stressarme Umgebung mit guter Belüftung und Schutz vor Hitze oder Kälte entscheidend, um die Genesung zu fördern. Sprechen Sie vor Anwendung der Medikamente aber unbedingt mit einem Tierarzt.
Im Bestandmanagement gilt es, erkrankte Tiere so weit wie möglich von gesunden Tieren zu separieren, um das Risiko weiterer Übertragungen zu verringern. Auch wenn die Blauzungenkrankheit nicht direkt von Tier zu Tier übertragen wird, kann eine räumliche Trennung helfen, die Belastung für den Bestand zu minimieren. Ergänzend ist die konsequente Vektorkontrolle, insbesondere die Reduktion der Gnitzenpopulation, ein zentraler Bestandteil jeder Bekämpfungsstrategie.
Blauzungenkrankheit Rind: Impfung & Prävention
Die wirksamste Schutzmaßnahme gegen die Blauzungenkrankheit beim Rind ist eine gezielte Impfung. In der EU sind verschiedene Impfstoffe gegen bestimmte Serotypen zugelassen, darunter z. B. die inaktivierten Impfstoffe BTVPUR® AlSap und BTVPUR® AlSap 3 (gegen BTV‑1 bzw. BTV‑3) oder der Impfstoff Bluevac®‑3 gegen den aktuell in Deutschland dominierenden Serotyp BTV‑3. Die Impfung kann sowohl Einzeltieren als auch ganzen Beständen verabreicht werden und wird in der Regel jährlich wiederholt, um einen stabilen Schutz aufrechtzuerhalten.
Eine erfolgreiche Präventionsstrategie kombiniert Impfmanagement mit konsequenter Vektorkontrolle. Gegen die übertragenden Gnitzen (Culicoides) können Insektizide und Repellents eingesetzt werden. Bewährt haben sich hier Produkte wie Insect Blocker Pour-on oder Pyrethroid-basierte Mittel, die direkt auf das Fell aufgetragen werden. Ergänzend können Insektengitter an Stallöffnungen, Ventilatoren zur Luftzirkulation und das Vermeiden von stehenden Wasserstellen im Umfeld des Stalls helfen, die Gnitzenpopulation zu reduzieren.
Biosicherheitsmaßnahmen wie das Einschränken von Tiertransporten aus betroffenen Regionen, das Quarantänisieren neu zugekaufter Tiere und eine enge Zusammenarbeit mit dem Tierarzt tragen zusätzlich dazu bei, das Risiko eines Ausbruchs zu minimieren. In Kombination können diese Maßnahmen die Verbreitung der Krankheit erheblich verlangsamen und die wirtschaftlichen Schäden begrenzen.
Aktuelle Lage & Monitoring in Deutschland
Die Blauzungenkrankheit hat sich in den letzten Jahren in Deutschland stark ausgebreitet. Zwischen Oktober 2023 und Oktober 2024 wurden landesweit 13.206 betroffene Betriebe gemeldet, darunter viele Rinderhaltungen (Bundestag.de). Bis Juli 2025 stieg die Zahl auf über 15.000 Ausbrüche – ein historischer Höchststand (FLI.de). Besonders betroffen waren Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen, wo es im Sommer 2024 zu Hunderten bestätigten Fällen kam (Welt.de).
Das Monitoring erfolgt in Deutschland durch ein engmaschiges Netz von Tiergesundheitsdiensten und staatlichen Labors, die Blutproben von Wiederkäuern regelmäßig auf BTV untersuchen. Diese Surveillance-Programme dienen sowohl der frühzeitigen Erkennung neuer Ausbrüche als auch der Feststellung, welche Serotypen aktuell zirkulieren.
Ein wichtiger Aspekt im Monitoring ist die enge Zusammenarbeit zwischen Landwirten, Tierärzten und Veterinärbehörden. Verdachtsfälle müssen umgehend gemeldet werden, damit Quarantänemaßnahmen und gezielte Impfkampagnen eingeleitet werden können. Durch die Kombination aus konsequenter Überwachung und schneller Reaktion lässt sich die Ausbreitung der Krankheit zwar nicht vollständig verhindern, aber deutlich verlangsamen, was insbesondere in Ausbruchsregionen entscheidend ist.
Wirtschaftliche Auswirkungen & rechtlicher Rahmen
Die Blauzungenkrankheit hat nicht nur veterinärmedizinische, sondern auch erhebliche wirtschaftliche Konsequenzen für Rinderhalter. Leistungseinbußen durch verringerten Milch- und Fleischzuwachs, Fruchtbarkeitsprobleme und erhöhte Tierarztkosten führen zu direkten finanziellen Verlusten. Besonders problematisch sind Handelsrestriktionen: Betriebe in betroffenen Regionen dürfen Rinder nur unter strengen Auflagen oder gar nicht in andere Bundesländer oder EU-Staaten verbringen. Dies wirkt sich vor allem auf den Zucht- und Exporthandel aus.
Neben den direkten Verlusten entstehen auch indirekte Kosten durch Präventionsmaßnahmen wie Impfungen, Vektorkontrolle und bauliche Anpassungen der Stallungen. Förderprogramme oder Entschädigungen durch den Staat können diese Belastung teilweise abfedern, decken jedoch oft nicht alle entstandenen Kosten.
Rechtlich ist die Blauzungenkrankheit in Deutschland eine anzeigepflichtige Tierseuche. Dies bedeutet, dass bereits der Verdacht unverzüglich dem Veterinäramt gemeldet werden muss. Bei bestätigten Fällen treten Sperrzonen und Bewegungsbeschränkungen für Wiederkäuer in Kraft. Diese Maßnahmen sollen die Ausbreitung eindämmen und basieren auf EU-weit harmonisierten Vorschriften, die im Tiergesundheitsrecht verankert sind.
Abschluss & Handlungsempfehlungen
Die Blauzungenkrankheit beim Rind stellt für Landwirte sowohl aus gesundheitlicher als auch aus wirtschaftlicher Sicht eine ernstzunehmende Herausforderung dar. Um das Risiko für den eigenen Bestand zu minimieren, sollten Tierhalter ein betriebseigenes Frühwarnsystem etablieren. Dazu gehört die regelmäßige Kontrolle der Tiere auf mögliche Symptome, insbesondere während der aktiven Gnitzen-Saison von Frühling bis Herbst.
Eine rechtzeitig durchgeführte Impfung gegen den relevanten Serotyp (aktuell vor allem BTV‑3) ist die effektivste Schutzmaßnahme. In Kombination mit konsequenter Vektorkontrolle, z. B. durch den Einsatz von Insect Blocker Pour-on oder Pyrethroid-basierten Mitteln, lässt sich die Ansteckungsgefahr deutlich reduzieren. Zusätzliche Maßnahmen wie das Anbringen von Insektengittern, das Trockenlegen von Wasserstellen und eine gute Stallhygiene sind wichtige Bausteine der Prävention.
Landwirte sollten zudem mit ihrem Tierarzt einen individuellen Impf- und Schutzplan erarbeiten und bei Verdachtsfällen umgehend das Veterinäramt informieren. Der Austausch mit Berufskollegen und die Nutzung offizieller Informationskanäle, wie die Landwirtschaftskammern oder das Friedrich-Loeffler-Institut, helfen, stets über die aktuelle Lage informiert zu bleiben.